Auf Probe
Eine ganze Weile befanden sie sich nun schon in diesem verlassenen Zweibeinernest. Mauerreste deuteten darauf hin, dass hier einst Zweibeiner Unterschlupf gesucht hatten, doch die kamen schon lange nicht mehr. Alles war mit Pflanzen überwuchert, diese boten nun Kupfer und seiner kleinen „Familie“, wenn man das so nennen konnte, Schutz, auch wenn der rote Kater sich trotzdem dauerhaft angreifbar fühlte, so ganz allein.
Regen war noch nicht von ihrer Jagd zurückgekehrt und sein Magen grummelte allmählich schrecklich laut. Die wachsenden Jungen fraßen mittlerweile feste Nahrung und brauchten viel mehr, als ihre Mutter ihnen geben konnte. Der Kater hatte sich so langsam vom Schock des Tages, als sie den BlutClan verlassen hatten, erholt, wurde jedoch regelmäßig in Albträumen von dem Anblick und Gestank der blutenden Katzen heimgesucht. Auch an diesem Morgen hatte er nicht gut schlafen können – seinen Gliedern fehlte die nötige Energie, doch er entschloss sich dennoch dazu, sich die Pfoten zu vertreten. Er ließ seinen Blick kurz von seinem Standpunkt unter einem der Büsche, die hier wuchsen, über die Umgebung streichen und erkannte den bunten Pelz von
Klecks nicht weit entfernt. Er hievte sich also auf seine Beine und streckte seine Vorderläufe vor sich aus, um seinen Körper zu strecken. Sein kleiner Schweif bebte unter der Bewegung und seine Schnurrhaare zitterten, als sich sein Maul zu einem ausgiebigen Gähnen öffnete.
Gelassen schlenderte der junge Kater seiner… Schwester entgegen – mittlerweile wussten sie alle, dass
Klecks nicht wirklich eines von
Regens Jungen war, doch Kupfer machte sich daraus nicht viel. Sie alle waren vertriebene Streuner, die Hunger hatten, kein richtiges Zuhause. „
Morgen.“ Miaute er knapp und ließ sich neben ihr nieder, da roch er plötzlich den bekannten Duft seiner Mutter, der ihm entgegen waberte. Er spitze seine Ohren, drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der er nun Pfotenschritte hörte und musste voller Enttäuschung ein paar Augenblicke später feststellen, dass
Regen ohne Beute zurückkehrte. Sein Magen knurrte erneut hörbar und er schluckte, bemerkte, wie trocken sein Hals war. Sein Bernsteinblick verfolgte seine Mutter, musterte sie, wie sie sich erschöpft vor einem Strauch auf den Boden fallen ließ. Sein Bauch verkrampfte sich noch stärker, denn es fehlte ihm an Zuneigung.
Regen schien meist mit sich selbst beschäftigt und das machte ihn wütend. Andererseits empfand das Junge Mitleid mit ihr, schließlich musste sie sich allein um die drei Jungen kümmern. Noch überwog dieses Mitgefühl mit ihr, er wollte ihr helfen, weswegen er sich ihr vorsichtig näherte.
„
Mama, bring mir bei, zu jagen.“ Die Worte brachen einfach aus ihm heraus – er war bemüht darum, seiner kindlichen Stimme so viel Nachdruck wie möglich zu verleihen. Er wusste, dass er noch zu klein war, war sich nicht sicher, ob er überhaupt dazu imstande wäre, Beute zu erlegen, doch er wollte es versuchen. Die Situation, in der sie sich befanden, zwang die Jungen unvermeidlich dazu, schneller „erwachsen“ zu werden. „
Ich kann helfen“, murmelte er weiter, scharrte mit einer seiner Pfoten ein paar Büschel Gras aus dem Boden.